Freitag, 25. September 2009

Wer gekränkt wird, wird krank

Der Mensch arbeitet für Geld, aber auch, weil er Wertschätzung braucht.
Daran ist nichts herumzudeuten: Wer illegal Krankengeschichten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erfasst, tut das aus eindeutigen Gründen: Er will häufig oder chronisch Kranke identifizieren und loswerden und Menschen dazu zwingen, auch dann am Arbeitsplatz zu erscheinen, wenn sie krank sind.
Die ÖBB haben, eifrig wie die Eichhörnchen im Spätherbst, Tausende Datensätze angelegt, aber man muss keine Anhängerin obskurer Verschwörungstheorien sein, um davon auszugehen, dass die Doktorspiele der Bahn-Chefs keine Einzelfälle sind.
Dass in Tirol die Tiroler Ärzte sich ihrer Verschwiegenheitspflicht entsinnen, ist ein guter Ansatz; Psychoterror innerhalb von Firmen verhindert er nicht. Auf solche Ideen kommt aber nur, wer die ihm untergeordneten Arbeitnehmerinnen und -nehmer grundsätzlich für Schmarotzer hält, denen es an Motivation, Verantwortungsbewusstsein, Loyalität und Anstand gebricht.
Das ist sachlich falsch, menschlich entwürdigend, ethisch verwerflich und ökonomisch dumm.
Man muss kein gelernter Psychologe sein und nicht eine einzige der längst massenhaft verfügbaren wissenschaftlichen Arbeiten zum Thema gelesen haben; ein Mindestmaß an Hausverstand würde genügen, um zu wissen: Jemandem, der systematisch demotiviert wird, mangelnde Motivation vorzuwerfen, ist zynisch. Wer permanent gekränkt wird, der wird krank.
Und umgekehrt, auch das ist eine Binsenweisheit: Ein vertrauens- und respektvolles Betriebsklima tut weit mehr für die Produktivität eines Unternehmens, als es Druck, Drohungen und Demütigungen je könnten.
Denn der Mensch arbeitet, um Geld zum Leben zu verdienen, natürlich - aber mindestens so existenziell ist sein Bedürfnis nach Wertschätzung.

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